Es war eine ungewöhnliche Waldführung am 06. April 2014 mit einem ungewöhnlichen Führer. Der Forstwissenschaftler Wilhelm Stölb, der auf Einladung der BI Waldpark Skiwiese aus Landshut nach Bad Nauheim kam, eröffnete den Teilnehmern einen ganz neuen Blick auf den Wald.
In unserer Hocheffizienzgesellschaft hat man oft den Eindruck, dass auch beim Wald erst die Ökonomie und dann vielleicht noch ein bisschen Ökologie kommt. Folgerichtig sieht die heutige, reformierte Forstwirtschaft im Wald zunächst die Ressource, die sie effizient verwalten muss. Der Mensch jedoch, sucht bei seinem Besuch im Wald Erholung und möchte sich dort einfach nur wohlfühlen. Vielleicht interessiert er sich noch für die Ökologie, der ökonomische Wert des Waldes aber ist ihm meist unbekannt und oft auch ziemlich schnuppe. Der Wert des Waldes für den Menschen besteht also in seiner ästhetischen Ausstrahlung.
Im Laufe des zweistündigen Rundgangs durch den Bad Nauheimer Waldpark wurde dies besonders deutlich. In einem stadtnahen Erholungswald mit dieser Ausstrahlung kann man zu sich selbst finden, dieser Wald hält Körper und Seele gesund. Einer der Teilnehmer, ein Reha-Patient der Kaiserbergklinik, berichtete davon, dass die Ruhe und Schönheit des Waldparks seine Tinnituserkrankung fast zum Verschwinden brachten. Auch habe sich durch seinen Aufenthalt im Wald ein lange nicht mehr gekanntes seelisches Gleichgewicht eingestellt. Er bedauerte, dass es in seiner Heimatstadt keinen so schönen Wald gibt.
Mit Fragen nach dem Empfinden beim Anblick der verschieden gestalteten Areale des Waldparks regte Stölb die Teilnehmer zum Nachdenken an. Sie zeigten sich beeindruckt von riesigen alten Fichten, Douglasien und Eschen, die gerade in den Himmel wachsen. Sie freuten sich über hundert Jahre alten Linden und Eichen, die entlang der Wege oder an Wegkreuzungen die Wanderer begleiten. An konkreten Beispielen erklärte Stölb wesentliche Zusammenhänge: Die Eiche als Lichtbaumart braucht Freiflächen, damit sich Jungbäume entwickeln können. Tanne, Fichte und Buche sind Schattbaumarten, sie keimen und wachsen auch in einem kleinen Lichtschacht zwischen anderen Bäumen.
Nach dem Studium war Stölb über 20 Jahre als Förster im Staatsdienst Bayerns tätig. Die Forstreform ab der Jahrtausendwende veränderte in allen Bundesländern die Waldbewirtschaftung. Reviere wurden größer, Jagden verpachtet, Waldarbeiter durch externe Dienstleister ersetzt – der Fokus auf Effizienz und Effektivität hielt Einzug auch im Wald. Ende 2002 hatte Stölb genug, verzichtete auf Beamtenstatus und Pension und ist seither als Buchautor, Referent, forstlicher Berater, Sachverständiger und Maler tätig. Sein Fokus, der all seine Tätigkeitsbereiche durchzieht ist die Waldästhetik.
Dr. Martin Düvel, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses, erläuterte die finanzielle Herausforderung für die Stadt bei Pflege und Erhalt der historischen Waldanlagen. Viel Lob fand Stölb für die Art und Weise, wie das bisher im städtischen Teil des Bad Nauheimer Waldparks gelungen ist. Er machte auf den deutlichen Unterschied gegenüber dem in Landesbesitz befindlichen Teil aufmerksam. Es lohnt sich also, so Stölb abschließend, sich für den Waldpark einzusetzen: „Sie haben in Bad Nauheim einen ganz besonderen Wald. Schätzen sie ihn und schützen sie ihn.“
Der Waldspaziergang war sehr bereichernd, die etwa 40 Teilnehmer waren volle zwei Stunden konzentriert dabei. Bei einem anschließenden Imbiss in der Wilbrandt-Hütte wurde noch ausgiebig weiter diskutiert und die neu gewonnenen Eindrücke miteinander ausgetauscht.